Die ernüchternde Wahrheit für die UBS
Heute Freitag wird der Bundesrat die Botschaft zu den Eigenkapitalanforderungen der systemrelevanten Banken präsentieren. Für die UBS dürfte der Inhalt wenig erfreulich sein. Das letzte Wort in dieser Sache ist allerdings noch lange nicht gesprochen.
Wie viel Eigenkapital benötigen die grossen Schweizer Banken? Allgemein wird erwartet, dass heute Freitag Finanzministerin Karin Keller-Sutter mehr Licht in diese Frage bringen wird.
Konkret geht es bei der Regelung vor allem um die UBS, heute die einzige systemrelevante Schweizer Bank, die auch international tätig ist. Durch die Integration der Credit Suisse ist sie mit Abstand die grösste Schweizer Bank geworden und wäre im Krisenfall eine riesige Hypothek: Mit 1,7 Billionen Franken ist ihre Bilanzsumme doppelt so gross wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz und damit die jährliche Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft.
Wichtiger als die Grösse sei das Geschäftsmodell der Bank, versuchte UBS-Group CEO Sergio Ermotti in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder deutlich zu machen. Aber ob er damit in Bundesbern durchdrang? Daran bestehen erhebliche Zweifel.
1. Was ist zu erwarten?
Es wird allgemein erwartet, dass der Bundesrat schärfere Eigenkapitalvorschriften vorschlagen wird. Konkret ist davon auszugehen, dass die UBS künftig ihre ausländischen Tochtergesellschaften nicht mehr mit 60 Prozent, sondern neu mit 100 Prozent unterlegen muss.
Der Bundesrat würde damit weitgehend den Empfehlungen der Finanzmarktaufsicht Finma und der Schweizerischen Nationalbank folgen.
Jüngste Berichte, wonach Karin Keller-Sutter aufgrund des Lobbyings von Sergio Ermotti und UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher klein beigebe, sind der Kategorie «wilde Spekulationen» zuzuordnen. Zudem beruhen die Berichte auf zum Teil vertraulichen Informationen im Vorfeld des Berichts zur Bankenstabilität, den der Bundesrat bereits am 10. April 2024 präsentiert hatte, und sind somit nicht neu, sondern längst bekannt.
2. Welches sind die Konsequenzen für die UBS?
Für die kombinierte Grossbank wäre dies eine ernüchternde Nachricht. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die Banken-Spitze ein Powerplay betrieben, um genau dies zu vermeiden. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen (siehe auch Punkt 4).
Höhere Eigenmittelanforderungen sind so oder so Gift für die Pläne der Grossbank. Diese wollte international den Abstand zu den amerikanischen Riesen verkürzen. Die UBS schätzt, dass mit den strengeren Regeln ihre harte Kernkapitalquote (CET1) – ein Schlüsselmass für die Kapitalstärke – auf 17 bis 19 Prozent ansteigen würde. Die US-Banken weisen tiefere Werte auf, bei Morgan Stanley sind es beispielsweise 13,5 Prozent.
Wenig Freude an den Plänen des Bundesrates dürften sicherlich auch die Aktionäre der Grossbank haben: die Valoren dürften zusätzlich unter Druck geraten. Entscheidend wird allerdings sein, wie viel Zeit die UBS bekommt, um die Eigenkapitalquote zu erhöhen. Alles unter zehn Jahren wäre negativ, lautet der Tenor auf dem Finanzplatz.
Unabhängig davon mindern höhere Eigenkapitalanforderungen die Chancen für weitere Aktienrückkaufprogramme. Die UBS strebte an, im Jahr 2026 das 2022 erreichte Niveau des Rückkaufvolumens von 5,6 Milliarden Dollar zu übertreffen. Allerdings machte die Bankenspitze im vergangenen April deutlich, dass sie ein neues Programm nur starten wird, wenn die CET1 von 14 Prozent aufrechterhalten wird und sich «die in der Schweiz geltenden Eigenmittelanforderungen nicht unmittelbar und wesentlich ändern».
3. Wie wird die UBS reagieren?
In den Medien wird immer wieder kolportiert, die UBS fasse einen Wegzug ins Auge, wenn sie zum Halten von mehr Eigenmitteln gezwungen werde. Konkrete Anhaltspunkte dazu gibt es nicht. Im Gegenteil: UBS-Geschäftsleitungsmitglied Markus Ronner erteilte solchen Spekulationen in der «Arena» des Schweizer Fernsehens von Ende März dieses Jahres eine Absage. Es gebe keine solchen Planspiele, sagte er.
Durchaus denkbar ist dagegen, dass aufgrund der höheren Eigenkapitalanforderungen die Grossbank bedingt durch einen weitaus tieferen Aktienkurs zu einer Übernahmekandidatin wird.
Ein weiteres Szenario ist, dass die UBS das sogenannte Holcim-Prinzip angewendet: Genauso wie der Baustoffproduzent könnte die Bank einen Teil ihres Geschäfts abspalten und im Ausland ansiedeln.
Eine relativ naheliegende Möglichkeit wäre ein Spinoff des risikoreichen Investment-Banking, das in London seinen Platz finden könnte. Die Idee einer solchen Trennung von risikoarmen und risikoreichen Bankaktivitäten ist alles andere als neu – und war in den USA bis 1999 mit dem Glass-Steagall Act sogar bis zu einem gewissen Mass Vorschrift. Im Nachgang der Finanzkrise von 2008 wurde sie international erneut diskutiert, doch nirgendwo konsequent umgesetzt.
4. Wie geht es weiter?
Die Vorschläge des Bundesrates gehen nun in die Vernehmlassung. Voraussichtlich Ende Jahr wird die Landesregierung ihren definitiven Vorschlag vorlegen. Danach sind National- und Ständerat bzw. die entsprechenden parlamentarischen Kommissionen am Zuge; wie dort die Stimmungslage ist, lässt sich derzeit noch schwer abschätzen. Möglich ist auch, dass es noch zu einer Volksabstimmung kommt. Es dauert also noch lange, bis in dieser Frage Klarheit herrscht.