Finanzbranche: Zwischen Zuversicht und Selbstvergewisserung
Die private Vermögensverwaltung ist naturgemäss ein diskretes Geschäft. Umso wertvoller ist das Stimmungsbild, das der Private Banking Day liefert. Dass in Zeiten wachsenden internationalen Drucks und zunehmender Unsicherheit die Besinnung auf die «Swissness» im Zentrum der Tagung stand, darf auch als Statement verstanden werden.
Der Schweiz Finanzplatz ist global führend in der privaten Vermögensverwaltung – und die Ausgangslage für unser Land, diese Spitzenposition zu verteidigen, ist gut, weil Stabilität und Sicherheit in stürmischen Zeiten besonders geschätzt wird und es mit einem funktionierenden Ökosystem – beispielsweise einer grossen Expertise, einer einvernehmlichen Zusammenarbeit in der Branche und zwischen privaten und staatlichen Akteuren – über einen zusätzlichen Trumpf verfügt.
Zudem wächst das Marktpotenzial in den nächsten Jahrzehnten weiter, werden doch die Vermögen Privater weltweit in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen.
So lautete die positive Grundbotschaft des 9. Private Banking Day, der am Dienstag in Zürich über die Bühne ging und um das Thema «Swissness» kreiste. Organisiert wurde der Anlass von der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (VSPB) sowie der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV).
Bundesrat Parmelin: Dreimal eine Bank gerettet genügt
Der höchste Gast, Wirtschaftsminister Guy Parmelin, appellierte an das zahlreich erschienene Publikum, alles zu tun, damit der Schweizer Finanzplatz weltweit führend bleibt. Es brauche dazu das Engagement sämtlicher Akteure. Aber er brachte auch eine nachdenkliche Note ein, etwa als er gleich zu Beginn der Grussbotschaft des Bundesrats festhielt, dass er in seiner politischen Laufbahn dreimal eine Bankenrettung (Waadtländer Kantonalbank, UBS und Credit Suisse) mitgemacht habe und er kein viertes Mal erleben wolle.
In seiner Tour d'Horizon streifte er einige aktuelle Themen, die für die Vermögensverwaltungsbranche zwar nicht direkt relevant, aber doch von Interesse sind. In Bezug auf die Verhandlungen mit den USA wegen deren Zollpolitik sagte Parmelin, er hoffe, dass Anfang Juli erste Resultate vorgelegt werden könnten. Er erkannte jedoch auch an, dass der wachsende internationale regulatorische Anpassungsdruck zu einem gewissen Identitätsverlust führen kann – und sprach, als das Stichwort Deglobalisierung fiel, Klartext: Es handle sich um eine «Rückkehr des Protektionismus».
Keine Industriepolitik – Wie lange hält die Schweiz durch?
Parmelin erteilte in diesem Zusammenhang der Forderung, dass die Schweiz wie andere Länder eine Industriepolitik betreiben sollte – also staatliche Instrumente wie Subventionen und Steuererleichterungen einsetzt, um bestimmte (oft als strategisch bezeichnete) Branchen zu fördern – eine Absage. Die automatischen Stabilisatoren genügten, namentlich die Arbeitslosenversicherung mit der Kurzarbeitsentschädigung.
Wenig überraschend teilte Daniela Stoffel, Staatssekretärin für internationale Finanzfragen im Eidgenössischen Finanzdepartement, die an einer Podiumsdiskussion teilnahm, Parmelins Haltung. Doch liess sie zugleich durchblicken, dass in Bundesbern die bange Frage, wie lange die Schweiz in einer Welt, in der immer mehr Länder bestimmte Unternehmen und Branchen immer stärker mit allen Mitteln unterstützen, an ihrem ordnungspolitisch fundierten Ansatz festhalten kann, durchaus kontrovers diskutiert wird.
Swissness als Stellenbeschrieb und die angeknackste Neutralität
Stoffels, die «Swissness» als ihren Stellenbeschrieb bezeichnete, bezog auch zu einen weiteren heissen Eisen Position. Ja, mit der Übernahme der Russland-Sanktionen der EU habe sich die Schweiz in einem Lager positioniert, was mit beträchtlichen Kosten auch für die Banken verbunden gewesen sei. Aber die Neutralität sei trotzdem weiterhin gewahrt, hielt sie mit mässiger Überzeugungskraft aber im Einklang mit der offiziellen Linie fest.
Doch zurück zum eigentlichen Vermögensverwaltungsgeschäft. Giorgio Pradelli, Präsident der VAV, betonte die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche, mit 30'000 Beschäftigten (davon fast zwei Drittel in der Schweiz), Assets under Management von rund 2,4 Billionen Franken und einem «Exportanteil» von 60 Prozent (Total der Zahlen der Mitgliedbanken der beiden Vereinigungen).
«Teil der Unterhaltungsindustrie mit Produkten, die niemand wirklich braucht»
Das ist durchaus vergleichbar mit den Grössenordungen der heimischen Uhrenindustrie. Diese gilt ja geradezu als Inbegriff von Swissness – und war deshalb, in Gestalt von Christoph Grainger-Herr passenderweise Gastbranche am Banking Day. Der CEO von IWC hielt ein fulminantes Referat über das erfolgreiche Branding für Produkten, «die eigentlich niemand wirklich braucht» und davon, dass er sich als Teil der «Unterhaltungsindustrie» versteht; durchaus möglich, dass sich der eine oder andere anwesende Banker in diesen Aussagen selber wiederfand.
Solche Branchenstelldicheins sind naturgemäss in erster Linie Netzwerkanlässe, idealerweise Inspirationsquelle und aktuell bis zu einem gewissen Grad auch Rituale der Selbstvergewisserung – und weniger der Platz für tiefschürfende Diskussionen. Insofern setzte der Abschluss durch Grégoire Bordier, VSBP-Präsident, einen gewissen Kontrapunkt, indem er an den Wert der Arbeit und die Tugend der Demut erinnerte.
Wohlfeile Schlagworte – aber was gilt in der Praxis?
Apropos Selbstvergewisserung: Am Dienstag oft zu hören waren Schlagworte zur Regulierung wie Verhältnismässigkeit, Risikobasiertheit und Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch ein «faires Spielfeld». Diese gelten als wenig kontrovers, doch in der Realität verbergen sich dahinter knifflige Zielkonflikte und Abwägungen, zumal es keinen Konsens bezüglich Hierarchie gibt.
Vertreter kleinerer Banken beispielsweise pochen zuerst auf eine Regulierung, die nach Grösse abgestuft und somit verhältnismässig ist. Die UBS argumentiert hingegen, die Regulierung müsse primär dafür sorgen, dass sie international wettbewerbsfähig bleiben könne – unabhängig davon, wie vernünftig oder unvernünftig andernorts die Regeln sind. Und Ökonomen wiederum plädieren gerne für einen risikobasierten Ansatz, um die Stabilität des Finanzsystems zu wahren; der Fall Credit Suisse hat allerdings gezeigt, dass die Umsetzung nicht ganz ohne Tücken ist.