Gutachten zum CS-Wert könnte für UBS teuer werden

Bei der Not-Fusion der Credit Suisse mit der UBS wurde der Unternehmenswert der untergegangenen Grossbank mit Null angesetzt. Jetzt soll ein neues Gutachten her. Für die UBS steigt damit das Risiko.

Das Lausanner Unternehmen Legalpass vertritt nach eigenen Angaben tausende Aktionäre der Credit Suisse (CS) in der Sammelklage «Credit US». Am 18. Juni 2025 hat das Zürcher Handelsgericht entschieden, der Forderung nachzukommen, ein unabhängiges Gutachten einzuholen, um den Unternehmenswert der CS zum Zeitpunkt der Fusion mit der UBS zu bestimmen, wie es in einer Mitteilung der Klägervertreter heisst. Dies stelle einen wichtigen Meilenstein dar, und man begrüsse den Entscheid.

Auch der Schweizerische Anlegerschutzverein (SASV) wertet die Entscheidung als Zwischenerfolg für die Klägerseite

Fortführungs- statt Liquidationswert

Das unabhängige Gutachten soll von den beiden Co-Gutachtern Peter Leibfried, ordentlicher Professor für Audit und Accounting an der Universität St. Gallen, sowie Roger Neininger, ehemaliger Partner, CEO und Verwaltungsratspräsident von KPMG Schweiz, erstellt werden.

Laut der Entscheidung soll das Gutachten auf der Grundlage eines Fortführungswerts und nicht, wie von der UBS gewünscht, eines Liquidationswerts erstellt werden. Der SASV wertet insbesondere diesen Punkt als Hinweis darauf, dass sich das Handelsgericht bereits eingehend mit den Argumenten der Parteien auseinandergesetzt hat.

UBS muss Dokumente vorlegen

Das Gericht hat die UBS zudem angewiesen, zahlreiche bisher vertrauliche interne und externe Dokumente vorzulegen.

Dazu gehören insbesondere «alle Bewertungen der Credit Suisse Group AG, die seit dem 1. Oktober 2022 von der UBS oder der Credit Suisse intern oder extern vorgenommen wurden».

0.76 Franken pro CS-Aktie

Die UBS hatte die CS im März 2023 für rund 3 Milliarden Franken übernommen. Dabei wurde ein Umtauschverhältnis von 22,48 zu 1 festgelegt. Die CS-Aktionärinnen und Aktionäre haben also pro 22,48 CS-Aktien eine UBS-Aktie erhalten. Das entsprach einer Bewertung von 0.76 Franken pro Aktie. Der Schlusskurs der CS-Aktien vor dem Krisen-Wochenende hatte noch bei 1.86 Franken gelegen.

Teil der Notübernahme waren zudem etwa eine Garantie des Bundes in Höhe von 9 Milliarden Franken zur Verlustübernahme, ein mit einem Konkursprivileg «gesichertes» Liquiditätshilfedarlehen der Nationalbank (Emergency Liquidity Assistance, ELA+) in der Höhe von bis zu 100 Milliarden Franken sowie die vollständige Abschreibung des Nennwerts aller AT1-Anleihen der CS im Nominalwert von rund 16 Milliarden Franken. Den staatlichen Garantievertrag hatte die UBS bereits wenige Monate später beendet und das Darlehen zurückgezahlt.

Angemessene Entschädigung

Ziel der im Juni 2023 eingereichten Sammelklage von Legalpass, die von der Kanzlei Baumgartner Mächler vertreten wird, ist es, für ehemalige CS-Aktionärinnen und -Aktionäre eine «angemessene Entschädigung» zu erreichen.

Auch der SASV undd andere Kläger-Vertreter wie etwa oder die liechtensteinische Anwaltskanzlei Lennert Partners hatten eine unabhängige Neubewertung gefordert. Laut den Klägern und den von ihnen mit Gutachten begründeten Schätzungen habe der Wert der Bank auf Basis des fortgeführten Geschäfts deutlich höher gelegen.

Auch von Lennert Partners wird die Entscheidung als wichtiger Etappensieg der Klägerparteien gewertet. «Die Verfügung des Handelsgerichts lässt damit die mehrere Aktenordner fassende Klagebeantwortung der UBS zu Makulatur werden. Nach diesem Game-Changer können wir gespannt sein, ob die UBS dies zum Anlass nehmen wird, auf die Klageparteien zuzugehen», heisst es hier in einer Stellungnahme.

Mehr als 30 Klagen

Im Februar 2024 hatte das Handelsgericht Zürich die Klagen von Anlegern gegen die UBS in einem einzigen Verfahren zusammengefasst. Insgesamt geht es um mehr als 30 Klagen. Verschiedene Klägergruppen, darunter der SASV und Legalpass, hatten eine verstärkte Zusammenarbeit angekündigt, führen die Klagen aber jeweils unabhängig weiter.

Die Klagen stützen sich auf Artikel 105 des Fusionsgesetzes (FusG). Darin wird das Recht der Gesellschafter auf eine gerichtliche Überprüfung geregelt. «Wenn bei einer Fusion, einer Spaltung oder einer Umwandlung die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht angemessen gewahrt sind oder die Abfindung nicht angemessen ist, kann jede Gesellschafterin und jeder Gesellschafter innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung des Fusions-, des Spaltungs- oder des Umwandlungsbeschlusses verlangen, dass das Gericht eine angemessene Ausgleichszahlung festsetzt», heisst es dort.

Juristisches und finanzielles Risiko

Für die UBS stellen die Klagen ein finanzielles Risiko dar. Der Entscheid des Gerichts, ein Gutachten in Auftrag zu geben, kann als Hinweis darauf gesehen werden, dass die in der Duplik vorgebrachten Argumente der UBS zumindest nicht vollständig verfangen haben.

Sollte das Gutachten zu dem Schluss kommen, dass der Unternehmenswert der CS deutlich höher anzusetzen ist, dürfte es dem Gericht schwer fallen, dies zu ignorieren.

Damit stellt sich die Frage, ob die UBS dieses Risiko entsprechend mit Rückstellungen abdecken muss. Per Ende 2024 beliefen sich die Rückstellungen der Grossbank für Rechtsstreitigkeiten, regulatorische und ähnliche Angelegenheiten laut Geschäftsbericht auf 3,60 Milliarden Dollar, verglichen mit 4,02 Milliarden im Jahr zuvor. 

Die UBS wollte die Entscheidung des Handelsgerichts gegenüber finews.ch nicht kommentieren. 

(Um Stellungnahme von Lennert Partners ergänzt)