Im Maschinenraum der Banken – Begegnung mit dem Inventx-CEO
Der IT-Service-Provider Inventx ist eine der interessantesten Erfolgsgeschichten auf dem Schweizer Finanzplatz. Der neue CEO Emanuele Diquattro verrät, wie er das Unternehmen als offenen Ökosystem-Partner für Banken und Versicherungen positioniert, was es braucht, damit seine Kunden die Früchte von Digitalisierung, Cloud und AI ernten können – und wie es ist, unter starken Gründer-Eigentümern zu arbeiten.
In gewisser Weise ist es symbolhaft, dass sich das Unternehmen Inventx im «Circle» am Zürcher Flughafen eingemietet hat: Die Welt der Daten steht nie still. Und: «Money never sleeps.»
Als einziger Schweizer System-Integrator verfügt Inventx über einen eigenen Rund-um-die-Uhr-Cyber Security Überwachungssupport, bewerkstelligt über die Standorte in der Schweiz und in Kanada.
Ruhige, urbane Atmosphäre
In den offenen, elegant eingerichteten Räumen, direkt beim Flughafen, fällt viel Licht auf skandinavisch anmutende Möbel, freundliche Arbeitsnischen und diskrete Technik. Die Atmosphäre ist urban und ruhig – und reimt sich auf den jüngsten Neubau «Mehrwerk» in Chur, das neue Hauptquartier der Firma (finews.ch berichtete von der Eröffnung).
Emanuele Diquattro, seit dem 1. Januar CEO von Inventx, empfängt im Besprechungsraum ohne Prunk, aber mit weitem Blick über die Flaniermeilen des «Circle».
Interessanter Zeitpunkt
Das Unternehmen befindet sich an einer interessanten Weggabelung. Vor fünfzehn Jahren von Gregor Stücheli und Hans Nagel gegründet, hat es sich – ausgehend von den ersten Kunden Graubündner Kantonalbank, St. Galler Kantonalbank, Thurgauer Kantonalbank, BZ Bank und Migros Bank – mit Hartnäckigkeit und unternehmerischem Geschick zu einem ansehnlichen Player in der Banken- und Versicherungs-IT entwickelt, der dominanten Swisscom beharrlich Marktanteile abgetrotzt.
Heute ist Inventx bei kleinen und mittelgrossen Banken, die Finnova als Kernbankensystem einsetzen, ein führender Systemintegrator. Ebenso bei diversen Versicherungen.
Schnittstelle zwischen Business und IT
Ein erster Versuch der beiden Gründer Stücheli und Nagel, die operative Führung in neue Hände zu übergeben, scheiterte im vergangenen Jahr. Kurzzeitig übernahmen sie selbst wieder das Ruder (finews.ch berichtete).
Jetzt also ein neuer Anlauf in Gestalt von Emanuele Diquattro: Er ist eine markante Erscheinung – modische Kopfrasur, dichter Bart, direkte Sprache. Sein ganzes Leben habe er an der Schnittstelle zwischen Business und IT verbracht erzählt der neue Chef. «Insofern war es für mich ein Heimkommen an einen Ort, wo ich noch niemals zuvor gelebt hatte.»
Über die KPT kennengelernt
Eine biografische Verbindung gibt es aber durchaus: Zur selben Zeit, als er als CEO von Adcubum (dem Versicherungs-Pendant zu Finnova und Avaloq) die KPT in einem Projekt betreute, wurde Inventx System-Integratorin der Versicherung. Inventx-Mitgründer Hans Nagel und Diquattro kannten sich aus diesem Projekt.
Die beiden haben also schon einmal zwei Jahre zusammen in einem Ausschuss gearbeitet und sich als Partnerfirmen kennen und schätzen gelernt. «Auch in Situationen, wo nicht immer alles ideal gelaufen ist», ergänzt er mit einem Augenzwinkern. «Wir haben gelernt, miteinander umzugehen. Das hilft massiv und war ein Proof Point für mich.»
Solide Corporate Governance
Als weiteren «Proof Point» erwähnt Diquattro die solide Corporate Governance von Inventx. Im Verwaltungsrat sei neben den beiden Gründern viel unabhängiges Knowhow vorhanden. Und dass er die beiden Gründer am Tag 1 aus allen operativen Mailverteilern entfernt habe, sei sogar goutiert worden.
Umso wichtiger sei ein regelmässiges, zuverlässiges und transparentes Reporting gegenüber den Gründern als eine seiner Schlüsselaufgaben an. «Besonders, wenn es Probleme gibt, muss man das Confidence Level proaktiv managen.»
«Wachstum verdauen»
Inventx, erklärt Diquattro, sei in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile über 500 Mitarbeiter. «Dieses Wachstum gilt es nun zu verdauen, vielleicht auch mit einer frischen Aussensicht. Ich hatte ähnliche Erfahrungen bei Adcubum, wo man von 150 auf 450 wuchs.»
Die aktuelle Marktposition von Inventx beschreibt Diquattro so: Der Schweizer Bankenplatz sei in Sachen Kernbankensystem aufgeteilt zwischen dem eher im Retailbereich verwendeten Finnova und dem eher bei Privatbanken gebräuchlichen Avaloq. Inventx sei sehr stark aufgestellt im Applikations-Management von Banken mit Finnova.
Operationen am Kernbankensystem
Bei Infrastruktur-Themen wie Workplace oder Cyber Resilience arbeite man allerdings auch für andere Banken. «Manche Kunden teilen Applikations-Management und Infrastruktur auch bewusst auf unterschiedliche Dienstleister auf.» Vom unternehmerischen Standpunkt aus sei es sicher interessant, möglichst nahe am Kernbankensystem zu operieren.
Einen Push in Richtung Applikations-Management bei Avaloq-basierten Banken kann sich Diquattro vorstellen. «Spannend wird es dann, wenn es über mehrere Banken skaliert.»
Community Private Cloud
Aktuell liege die wichtigste Priorität darin, den Kunden eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, wo sie die Innovationen bei Cloud und Künstlicher Intelligenz nutzen können. Für sensible Bereiche bietet Inventx den Kunden eine eigene, regulierte Community Private Cloud. Diese lasse sich mit den Angeboten der grossen Public-Cloud-Anbieter kombinieren. «Wir verfolgen eine Multi-Hybrid-Cloud-Strategie, wo wir unsere Kunden aktiv in eine gemanagte, hybride Cloud-Welt bringen.» Dafür müsse man definieren, welche Applikationen mit welchen Daten und Clouds sinnvoll seien. «Diese saubere Verknüpfung mit Daten, die woanders liegen, stellen wir sicher.»
Inventx positioniert sich damit zunehmend als Plattformbetreiber. «Wir bieten Lösungen, die regulatorisch in der Schweiz abgesichert sind, technologisch aber offen und hybrid gedacht werden», sagt Diquattro.
23 Kunden
Die firmeneigene Plattform ix.Cloud sei bewusst modular und datenschutzkonform gestaltet worden, um den hohen Anforderungen von Banken und Versicherungen gerecht zu werden. «Wir haben heute 23 Kunden auf unserer Cloud-Plattform. Allein 2024 haben wir vier neue Mandate gewonnen.»
Ein besonders dynamischer Bereich sei derzeit künstliche Intelligenz, sagt Diquattro. «Wir haben eine KI-Plattform lanciert, mit der Banken und Versicherungen datenschutzkonform KI-Anwendungen entwickeln und betreiben können – etwa für Chatbots, Vertragsanalyse oder Betrugserkennung.»
Neue GPU-Infrastruktur
Dabei setzt Inventx auf eine eigene GPU-Infrastruktur, wie das Unternehmen kürzlich mitteilte: «Das Potenzial von KI vervielfacht sich durch die Nutzung von Daten aus dem Kernbusiness. Dazu braucht es private GPU-Infrastruktur, Datenschutz und Datenhoheit. Die Kombination unserer neuen KI-Plattform-Services und unseres bestehenden Ökosystems bietet eine flexible und zukunftssichere Lösung für die speziellen Anforderungen von Banken und Versicherungen.»
Aber trotz aller Innovation: Mit revolutionären Entwicklungen bei den Kernsystemen rechnet Diquattro nicht. Die Bankenwelt bleibe bis auf Weiteres unterteilt in Finnova und Avaloq. Beide Systeme seien gut zwanzig Jahre alt, bestünden aus Hundertausenden von Lines of Code und seien eher monolithisch aufgebaut. «Jetzt kommt die Cloud-Welt darüber und man kann als Entwickler sagen: Wir geben alles in einen Container, gehen in die Cloud und skalieren bis ins Nirvana.»
Eine Frage des Ökosystems
In der Praxis sei ein solcher Greenfield-Ansatz aber schwierig und auch extrem teuer. Realistisch sei eine partielle Erneuerung, bei der man einzelne Applikationen schrittweise vom Kernsystem abtrenne und dann cloud-basiert erneuere. Diesen Weg gehe Finnova mit dem Projekt Finnova Neo. Doch auch hier stelle sich die Kostenfrage: «Die Anbieter sind darauf angewiesen, dass die Kunden dazu etwas beitragen», was zu intensiven Diskussionen führe. Das etwas eingetrübte Geschäftsumfeld erleichtere diese nicht gerade.
Für die Zukunft des eigenen Unternehmens bleibt Diquattro optimistisch: Neben der Verdauung des bisherigen rasanten Wachstums, soll die Firma auch in Zukunft wachsen. «Wir streben ein jährliches Wachstum zwischen 5 und 15 Prozent an. Es kann ein Jahr weniger sein, weil man bewusst investiert, und es kann einmal mehr sein.»